Ute und Heinz

Eigentlich wollten wir in der Pension die Welt bereisen – aber es kam anders…

Alles begann vermutlich lange vor der eigentlichen Diagnose. Schon seit Jahren spürte ich morgens steife Knie, besonders beim Treppensteigen. Zunächst tat ich die Beschwerden als normale Alterserscheinungen ab. Doch im Winter vor der Diagnose fuhr ich nur noch ungern Ski – ich hatte kein Vertrauen mehr in meine Oberschenkelmuskulatur. Auch beim Wandern und Sightseeing merkte ich, dass ich mit meinen Freunden nicht mehr Schritt halten konnte. Mein Gang wurde zunehmend unrund, aber ich schob diese Symptome auf meine Faulheit oder die bereits diagnostizierte Stenose im Bereich des 4./5. Lendenwirbels.
Ende Oktober 2023 dann der Wendepunkt: Beim Gehen hörte ich plötzlich ein seltsames Klatschen meines linken Beins. Zunächst dachte ich, es läge an meinen neuen Schuhen, doch bald bemerkte ich Muskelzuckungen im Oberschenkel und eine allgemeine Schwäche in den Beinen. Das konnte ich nicht länger ignorieren. Der Gang zum Hausarzt führte schließlich zum Neurologen, und es begann eine lange Reihe von Untersuchungen.
Zunächst wurde ein MRT von Rücken und Kopf gemacht. Es standen ernsthafte Verdachtsdiagnosen im Raum: Eine Verschlechterung der Stenose, ein Gehirntumor, Multiple Sklerose oder sogar ein Schlaganfall. Doch das MRT lieferte keine Ergebnisse, und trotzdem war klar, dass die Symptome irgendwoher kommen mussten.
Kurz vor Weihnachten 2023 wurde ich in die Uniklinik Augsburg aufgenommen. Bei der Eingangsuntersuchung konnte ich zwar noch gut gehen und hüpfen, jedoch fiel es mir schwer, in die Hocke zu gehen oder auf einen Stuhl zu steigen. Nach einer Reihe von Untersuchungen kam der Verdacht auf eine Motoneuronenerkrankung auf dem Arztbrief zum Ausdruck. Anfang Januar 2024 erhielt ich schließlich im Friedrich-Baur-Institut in München die endgültige Diagnose: Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Diese Nachricht traf mich wie ein Schlag. Es war nicht nur ein Schock für mich, sondern auch für meine Familie und Freunde. Um sicherzugehen, suchte ich eine dritte Meinung bei Prof. Ludolph in der Uniklinik Ulm ein, der die Diagnose mit großer Wahrscheinlichkeit bestätigte.
Jana Richter von der ALS-Hilfe-Bayern war im FBI zur Stelle . Doch trotz dieser Unterstützung brach meine Welt zusammen. Nächte voller Schlaflosigkeit, Verzweiflung und Zukunftsängste folgten. Ich hatte doch noch so viel vor. Und nun erwartet mich ein Leben mit zunehmenden Einschränkungen. Ich bin 55 Jahre alt, verheiratet und habe zwei Kinder (Zwillinge 17 Jahre alt).
Es dauerte etwa vier Monate, bis ich die Diagnose einigermaßen annehmen konnte. In dieser Zeit dachte ich bereits an die notwendigen Veränderungen in meinem Leben: Umbauten im Haus, um Barrierefreiheit zu schaffen und Gespräche mit meinem Arbeitgeber, um zu klären, wie ich weiterarbeiten könnte. Das Bedürfnis, weiterhin im Berufsleben aktiv zu bleiben, half mir, trotz der schweren Last nicht aufzugeben.
Zunächst bewegte ich mich mit Walking-Stöcken fort, doch die Schwäche in meinen Beinen nahm weiter zu. Um weiterhin mobil zu bleiben, kaufte ich mir einen zusammenklappbaren Elektroscooter, der mir ermöglichte, größere Strecken zurückzulegen und als Lehrerin im Schulalltag aktiv zu bleiben. Doch im Juli 2024 war es dann soweit: Ich war dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen. Das ging schneller, als ich es mir vorgestellt hatte. Auch erste Schwächen in meinem rechten Oberarm machten sich bemerkbar.
Ich stellte Anträge auf Wege- und Arbeitsassistenz und beschaffte ein Fahrzeug mit Rollstuhlrampe, um auch im Herbst weiterarbeiten zu können. Das Arbeiten mit Assistenz funktioniert sehr gut, und solange es irgendwie möglich ist, möchte ich dies auch tun.
Meine Devise lautet: Nicht aufgeben und sich den Einschränkungen stetig anpassen. Zum Glück gibt es heute viele hervorragende Hilfsmittel, die jedoch frühzeitig und mit einer gewissen Beharrlichkeit beantragt werden müssen. Ein kleiner Trost!
Eines steht für mich fest: Nicht die ALS lebt mit mir, sondern ich lebe mit dieser ALS.