Franziska

Vor einem Jahr, also im Mai 2021, war die Welt für mich in Ordnung. Ich arbeitete mit Leib und Seele als Erzieherin – in der Funktion als Sprachbeauftragte und Psychomotorikerin – in einem Kindergarten mit 140 Kindern, ein großer Anteil mit Migrationshintergrund. In meiner Freizeit betreute ich meine Enkelkinder, unternahm Ausflüge mit Familie und Freunden und war eigentlich immer auf Achse.

Mit 61 Jahren hatte ich noch viele Pläne für meine weitere Lebenszeit, schließlich war ich ja fit und lebensfroh. Doch dann kam alles ganz anders. Im Juli 2021 machte ich mit den Kindergartenkindern als Highlight eine Abschlussrallye, dabei stolperte ich unglücklich und brach mir das Handgelenk. Daraufhin erfolgte eine OP mit Vollnarkose, die sich im Nachhinein als Trigger für meine ALS-Erkrankung entpuppte. Nach der OP stellten sich bei mir massive Atem- und Schluckbeschwerden ein sowie eine zunehmende Schwäche in Armen und Beinen. Ich konnte innerhalb kürzester Zeit nicht mehr ohne Stöcke laufen, mich selbständig anziehen und unabhängig bewegen. Das Sprechen fiel mir immer schwerer, die Kommunikation mit meiner Umwelt wurde schwieriger.

Bis mir die gesicherte Diagnose ALS im März 2022 gestellt werden konnte, vergingen 8 Monate. In diesen Monaten durchlief ich mit Unterstützung meiner Familie einen anstrengenden Ärzte-Marathon. Schließlich vereinbarte mein HNO-Arzt einen Termin in der neurologischen Ambulanz im Klinikum Rechts der Isar (TU München). Dort wurde ich intensiv untersucht und anschließend der vorsichtige Verdacht auf ALS geäußert. Bis dahin hatte ich von dieser Krankheit noch nie etwas gehört. Nach einer Woche stationären Aufenthalts wurde der Diagnoseverdacht bestätigt. Ein Schlag ins Gesicht. Meine Familie hatte mich während der Zeit in der Klinik intensiv begleitet und war nach der Diagnose ebenfalls paralysiert. Ich wurde mit diversen weiterhelfenden Adressen entlassen. Mit unserer Verzweiflung wurden wir sehr allein gelassen, zudem verschlechterte sich mein Zustand stetig.

Meine Familie und ich kontaktierten rasch die empfohlenen Adressen, suchten vor allem aber auch selbst nach weiteren unterstützenden Kontakten. Dabei trafen wir u. a. auf den Verein ALS Hilfe Bayern. Mit diesem nahmen wir per E-Mail-Kontakt auf, und innerhalb von 24 Stunden bekamen wir eine Rückmeldung von Frau Jana Richter mit Terminvorschlag. Meine Tochter führte das Erstgespräch telefonisch, da mir das Sprechen zu diesem Zeitpunkt schon sehr schwer fiel. Dabei erfuhren wir von dem ALS-Home Care-Projekt der Klinik Agatharied, das vom Freistaat Bayern finanziert wird. Unsere Tochter legte meinem Mann und mir nahe, dass wir uns am besten persönlich ein Bild von Frau Richter und Frau Dr. Bublitz machen sollten. Trotz Corona war es möglich innerhalb von einer Woche ein Gespräch bei uns zu Hause mit Frau Jana Richter zu führen.

Dieses Gespräch war ein großer Segen für uns, da es uns Perspektiven aufzeigte, wie wir trotz ALS und bereits palliativer Begleitung meine Lebensqualität verbessern können und wie ich mein Leben durchaus noch mit Würde und Humor weiterleben kann. Zudem wurde uns einer der wenigen Plätze im Home Care-Projekt angeboten und von Frau Dr. Bublitz zugesagt. Dies bedeutet, dass jegliche fachärztliche Versorgung bei mir Hause in den eigenen vier Wänden vorgenommen werden kann. Da ich mittlerweile die Wohnung nicht mehr ohne Rollstuhl verlassen kann, ist das für mich eine enorme Erleichterung. Seit meiner ALS-Diagnose sind gerade einmal acht Wochen vergangen. Die ersten Wochen waren einfach nur grausam, meine Familie und ich wurden mit einer neuen Realität konfrontiert, die uns emotional, organisatorisch und auch körperlich an die Grenzen der Belastbarkeit brachte.

Mein Mann ist beruflich stark engagiert, meine Kinder sind es ebenfalls und haben zudem ihre eigenen familiären Verpflichtungen. Meine Schwestern und gute Freunde standen und stehen mir und uns ebenfalls zur Seite, doch letztlich hat keiner Erfahrung im Umgang mit ALS – der Krankheit an sich, den gesetzlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, den bürokratischen Abläufen und weiteren unterstützenden Maßnahmen. Genau hier steht uns der ALS-Hilfe-Bayern e.V., vor allem Jana Richter, tatkräftig zur Seite, wofür wir nur DANKE sagen können. Der Verlauf meiner Krankheit lässt sich nicht ändern, das lerne ich zwangsläufig zu akzeptieren. Aber ich lerne auch mit der Krankheit zu leben.